
Aktuelles Forschunsprojekt: Fenster: Zur Kulturgeschichte eines Motivs in den Künsten
Das Buch (work in progress) widmet sich den Ausprägungen des Fenster-Motivs in der Literatur, Malerei, Grafik, Architektur, Fotografie und dem Film, vereinzelt auch in der Skulptur und Musik. Erfasst werden Werke aus drei Jahrtausenden, überwiegend aus Europa und Amerika, aber auch einige aus Asien. Der Überblick zielt auf die Vielfalt der Erscheinungsformen und kontextuellen Implikationen des Motivs. Es geht um die Grundmuster des Verhältnisses von Mensch und Fenster, die in den Künsten traditionsbildend entwickelt und einfallsreich abgewandelt wurden, wobei oft überraschende Korrespondenzen wie auch charakteristische Unterschiede über Epochen und Kulturräume hinweg hervortreten.
Es geht in dem Buch hauptsächlich um die Darstellung dieser Beziehung in ausgewählten repräsentativen Werken: Eingehend behandelt wird das Fenster als Sichtmedium, das Ausblicke von innen und Einblicke von außen bietet und ein breites Spektrum von Wahrnehmunsmöglichkeiten eröffnet, etwa fokussierender Verengung oder panoramischer Weitung des Blickfelds. Dazu gehören auch die oft symbolische Gegenüberstellung offener und geschlossener Fenster, das Motiv unbeobachteten Beobachtens, der aufschlussreiche Blick hinter die Fassade. Das Verhältnis von Innen und Außen sowie die Sichtweise des Schauenden spielen eine maßgebliche Rolle wie auch die Blickwinkel, die sich aus der Fensterart ergeben (von der Dachluke bis zum Souterrainfenster, ob einladendes Schaufenster oder an der Außenwelt vobeiziehendes Fahrzeugfenster).
Über das Fenster als Sichtrahmen hinaus soll das Fenster als Aktionsschwelle einbezogen werden: von innen nach außen als Fluchtweg oder beim (un)freiwilligen Fenstersturz, von außen nach innen beim Fensterln, Einbruch oder der Heimsuchung. Verhüllte, vergitterte, zugenagelte, „blinde“ Fenster beschränken bzw. versperren in beide Richtungen die Sicht bzw. die Aktion, eingeschlagene, zerborstene Fenster verdeutlichen die Schutzlosigkeit gegenüber Formen äußerer Gewalt. Die Fensterschwelle hat immer auch das Potential zur Kommunikation: von dem an die Umwelt gerichteten Posieren im Fenster bis zu dem vor dem Fenster erbrachten Ständchen. Das Motiv der Frau am Fenster, langlebiger und kulturräumlich verbreiteter als irgend ein anderes, versinnbildlicht auf besondere Weise im Verharren an der Fensterschwelle den Gegensatz von geschlossenem Innenraum und einer sich anbietenden offeneren Außenwelt und reflektiert nicht zuletzt eine Dominanz des männlichen Blicks in den traditionellen Künsten.
Abb. oben: Jan Vermeer, Briefleserin am offenen Fenster, Öl auf Leinwand, 1657/59
Beispiele


